Im medialen Alltag von heute begegnet uns in deutschen Texten häufig das Wort Webseite. Das Wort ist nicht zu beanstanden, wenn tatsächlich eine einzelne Seite im Internet gemeint ist, doch häufig hatte der Benutzer den gesamten Internetauftritt im Sinn, der im Englischen als web site (oder website) bezeichnet wird, zusammengesetzt aus web („Netz“) und site („Ort, Stelle“). Eine einzelne Web-Seite hingegen heißt im Englischen (web) page. (In anderen Zusammenhängen kann Seite auch mit dem etymologisch verwandten Wort side übersetzt werden, aber niemals mit site.) Hier liegt also ganz klar eine Verwechslung vor: Weil das deutsche Wort Seite ähnlich klingt wie das englische Wort site, ging der Benutzer irrtümlich davon aus, dass es auch die gleiche Bedeutung habe. Der Linguist spricht in einem solchen Fall von einem faux ami, einem „falschen Freund“.
Solche falschen Freund sind tatsächlich weitaus verbreiteter, als man denkt – nicht nur im Leben. Möglicherweise hat man sie selbst auch schon häufiger gebraucht, als man glaubt – aber man hat es halt nicht bemerkt, weil das Gegenüber vielleicht zu höflich war, den faux pas („falschen Schritt“) zu korrigieren. Manche Irrtümer dieser Art rufen unweigerlich ein Schmunzeln hervor, andere können peinlich oder schlimmstenfalls sogar beleidigend oder obszön sein. Es gibt faux amis auch in anderen Sprachen, aber ich möchte mich hier auf typische Missverständnisse zwischen Englischem und Deutschem beschränken.
Recht früh lernt man im Englischunterricht, dass who „wer“ heißt und where „wo“ heißt. Kleine Wörter mit abweichender Bedeutung – wie also („auch“) und still („noch“) – prägen sich ebenfalls leicht ein, weil sie häufig vorkommen. Ein sehr bekannter faux ami ist wohl das Verb to become. In den ersten Englischstunden erfährt man schon, dass es nicht „bekommen“ (engl. to get) heißt, sondern „werden“ oder auch im erweiterten Sinn „(jemandem) stehen“, wie in „Dieses Kleid steht Ihnen gut“ (“This dress becomes you”), im Filmtitel Der Tod steht ihr gut (Death Becomes Her) oder im – freier übersetzten – Theaterstücktitel Trauer muß Elektra tragen (Mourning Becomes Elektra). Leichter tappt man schon in die Falle bei den weniger häufig benutzten Verben beware („sich hüten“, nicht „bewahren“), behold („betrachten“, nicht „behalten“) oder berate („beschimpfen“, nicht „beraten“). Hier sieht man schon, dass eine Verwechslung manchmal lediglich unsinnig und absurd klingt, in anderen Fällen aber zu ernsten Missverständnissen führen kann, denn wer eine Beratung (advice, counsel) anbieten möchte und statt dessen eine Beschimpfung androht, wird sich wohl über die Reaktion seines Gegenübers wundern.
Auch ganz alltägliche Begriffe sind leicht zu verwechseln. So entspricht der Begriff stool dem deutschen Stuhl nur dann, wenn man von Kot spricht, beim Sitzmöbel bezeichnet er hingegen einen Hocker (ohne Rückenlehne), während der Stuhl (mit Rückenlehne) chair heißt (chair wiederum kann auch „Sessel“ bedeuten). Mit map wird eine Karte (im Sinne von „Landkarte“ oder „Stadtplan“) bezeichnet, während die Mappe folder heißt. Dass es im gift shop kein Gift (poison), sondern Andenken und Mitbringsel gibt (allerdings selten geschenkt), dürfte vielen klar sein, die schon mal ein Museum im englischen Sprachraum besucht haben. Tatsächlich hat das englische Wort gift, das auch eine „Begabung“ bezeichnet, den gleichen Ursprung wie das deutsche Wort Gabe (wie man noch an der Mitgift erkennt, also einer „Mitgabe“ zur Hochzeit), und umgekehrt war das deutsche Gift ursprünglich lediglich etwas „Gegebenes“, also eine Dosis, die verabreicht wurde – unabhängig von ihrer Wirkung.
Verwirrend ist, dass der Zirkel (das Hilfsmittel zum Zeichnen von Kreisen) compass heißt, der Kompass aber auch, während circle nur ein Kreis ist (aber auch ein „Zirkel“ im Sinne einer Personengruppe, z.B. ein Lesezirkel). Eine Hose kann man sich im Deutschen zwar anziehen, doch mit einer hose („Schlauch“) kann man allenfalls den Garten wässern oder ein Feuer löschen – es sei denn, es handelt sich um eine pantyhose, denn damit bezeichnen die Amerikaner tatsächlich eine „Strumpfhose“ (britisch tights). Wer im englischsprachigen Ausland nach einem slip sucht, wird vom Verkäufer allenfalls einen „Unterrock“ gezeigt bekommen, aber keine Unterhosen – das wären panties (für Frauen) oder briefs (für Männer). Auch ein slipper ist ein „Hausschuh“ und nicht das, was sich ein Deutscher darunter vorstellt (einen schnürsenkellosen Herrenschuh – das wären loafers). Auch einen smoking kann man im englischen Sprachraum nicht tragen – das Kleidungsstück heißt hier tux(edo) oder dinner jacket. In das größte Fettnäpfchen tritt man gewiss, wenn man eine messenger bag kaufen möchte und – vom deutschen Kunstwort „Bodybag“ inspiriert – nach body bag fragt, denn Leichensäcke führen die wenigstens Modeläden.
Auch die Technik überrascht immer wieder mit Erfindungen, die für die Verbraucher besser klingen sollen, wenn sie englische Namen haben (wohl ähnlich wie die englischen Filmtitel, über die wir schon an anderer Stelle sprachen). Ebenso berühmt wie berüchtigt ist das Handy, das außerhalb Deutschlands niemand so nennt – handy ist ein Adjektiv („geschickt“), während das Mobiltelefon mobile (phone) oder cell (phone) heißt, je nachdem, auf welcher Seite des Atlantiks man sich befindet. Wir wissen auch alle (und sollten bei der Aussprache daran denken), dass ein personal computer nicht für das Personal (personnel, staff) gedacht ist, sondern ein „persönlicher“ Rechner ist. Wer damit Präsentationen oder Videos an die Wand projizieren möchte, sollte nach einem projector fragen – ein beamer (oder beemer) wäre ein BMW und gänzlich ungeeignet. Auch der schon etwas betagtere Flipper heißt nur hierzulande so, denn im Englischen ist flipper eine Flosse und das Spielgerät eine pinball machine. Ein Ventilator wird im Englischen mit dem gleichen Wort bezeichnet wir ein Fächer, nämlich fan (schließlich handelt es sich um einen motorisierten Fächer), wohingegen der ventilator ein Beatmungsgerät ist, das in den wenigstens Haushalten zu finden sein dürfte. Für reichlich Verwirrung sorgt auch immer wieder das silicon (wie in Silicon Valley), das das chemische Element Silizium bezeichnet und nicht zu verwechseln ist mit Silikon (engl. silicone), das man unter anderem in Fugen und Implantaten verwendet.
Die meisten Menschen, die sich pseudo-englische „Fachbegriffe“ ausdenken, halten sich wohl für Genies, aber im Englischen keinesfalls für genies, denn das wären „Flaschengeister“, während das deutsche Genie dem englischen genius entspricht. Wenn etwas im Deutschen genial ist, ist es im Englischen ingenious, während das englische genial „freundlich“ bedeutet. Ein freundlicher Mensch ist möglicherweise auch sympathetic, nämlich „mitfühlend“, doch wenn er im Deutschen sympathisch ist, wäre er im Englischen likable. Wenn ich im Deutschen Sympathie empfinde, dann ist es im Englischen understanding, aber nicht sympathy – das wäre „Mitleid“ oder „Mitgefühl“. Und was im Deutschen pathetisch ist, ist im Englischen impassionate, während pathetic einfach nur „erbärmlich“ wäre. Erbärmliches kann ich im Deutschen auch als miserabel bezeichnen, aber im Englischen heißt miserable „elend“. Ein sensibler Mensch ist im Englischen sensitive – wenn er sensible wäre, wäre er hingegen „vernünftig“. Ein Mensch könnte auch industrious („fleißig“) sein, ohne etwas mit der Industrie zu tun zu haben, und wenn er brave („tapfer“) ist, ist er nicht unbedingt auch brav. Vorsichtig muss man sein, wenn man einen lustigen Menschen nicht als funny, sondern als lusty bezeichnet, denn das kann neben „gesund und munter“ auch „lüstern“ heißen. Allerhöchste Fettnäppchengefahr birgt das Wort groß: Ein großer Mensch sollte immer als tall bezeichnet werden, denn big ist eine höfliche Umschreibung für „dick“. In allen anderen Fällen wäre big als Übersetzung für groß in Ordnung, aber keinesfalls gross, denn das bedeutet schlicht „ekelhaft“.
Ist ein Mensch selbstbewusst, nennt man ihn self-confident, denn self-conscious wäre das genaue Gegenteil: „gehemmt, unsicher“. In gleicher Weise bezeichnet das englische Wort mundane („banal“) das Gegenteil des deutschen Wortes mondän (glamorous). Eine nahezu gegenteilige Bedeutung haben auch die falschen Freunde alley und Allee. Während das deutsche Wort eine (baumgesäumte) Prachtstraße bezeichnet, sollte man die alley eher meiden, denn damit sind die dunkelsten Gassen einer Stadt gemeint.
Dass sogar Marketingstrategen recht plumpe (und leicht vermeidbare) Fehler begehen, bewies ein Sportwagen namens Probe, den Ford und Mazda gemeinsam herstellten. Im Englischen bedeutet probe „Sonde“ und kann sowohl in diverse Körperöffnungen eingeführt als auch in den Weltraum geschickt werden. Als Weltraumsonde hat probe immerhin etwas Futuristisches und Schnittiges an sich, doch der deutsche faux ami, Probe, lässt eher an Unfertiges denken, an Muster (sample) oder Versuch (rehearsal) – jedenfalls nichts, das man mit einem Sportwagen assoziieren möchte (außer zur Probefahrt). Irgendwann wird dieses Modell in Deutschland auch zum Oldtimer (classic car), doch im Englischen ist ein oldtimer ein „alter Mensch“, kein altes Auto – und das deutsche Kunstwort Youngtimer versteht ohnehin im Ausland niemand. Wenn man den Wagen mit Benzin (petrol in Großbritannien, gas[oline] in Nordamerika) betanken möchte, sollte man übrigens auf keinen Fall zu benzene („Benzol“) greifen!
Auch bei Gebäuden kann man leicht die Orientierung verlieren. Wer nach einem Warenhaus (department store) sucht und nach einem warehouse fragt, wird in einer Lagerhalle landen. Man sollte sich, wenn man eine Toilette braucht, auch nicht nach einem abort erkundigen, denn dieses Wort bezeichnet eine „Fehlgeburt“ oder einen „Abbruch“ – allerdings sollte man auch nicht geradewegs nach toilet fragen, denn dieser Begriff gilt in weiten Kreisen noch immer als etwas anstößig: besser sind bathroom (in Amerika), restroom (öffentlich), lavatory (in Flugzeugen) oder loo (in Großbritannien). Ein deutsches Stadium heißt im Englischen stage, ein Stadion hingegen wäre ein stadium. Dort hört man mitunter eine Hymne (anthem), aber selten eine hymn. Die bezeichnet ein Kirchenlied und wäre vielleicht in einem Dom zu hören, den man meist unter der Bezeichnung cathedral findet. Das Wort dome wird nur selten für Gebäude verwendet (berühmte Ausnahme: Dome of the Rock, der „Felsendom“), sondern bezeichnet meist nur die „Kuppel“, die man jedoch auch auf manchem Dom findet. Ob ein solcher Dom katholisch oder evangelisch ist, ist eine Frage der Konfession (denomination), doch eine confession („Beichte“) kann man nur im katholischen ablegen – oder (als „Geständnis“) bei der Polizei.
Dass das gymnasium im Englischen eine „Sporthalle“ oder ein „Sportstudio“ bezeichnet und keine Schulform haben wir bereits andernorts (siehe „Das kommt mir griechisch vor“) angesprochen. Den Direktor eines Gymnasiums (oder einer vergleichbaren Schule) nennen die Briten headmaster (oder weiblich headmistress), die Amerikaner principal, aber keineswegs director. Jener Begriff wird zwar auch für bestimmte Direktoren verwendet, doch vor allem für einen Regisseur – während der Direktor eines Unternehmens häufig der general manager oder der CEO (chief executive officer) ist. Der Direktor einer Fabrik (factory) ist möglicherweise ein Unternehmer (entrepreneur) in einer bestimmten Branche (industry), ihn jedoch den director von fabric („Stoff, Gewebe“) als undertaker („Leichenbestatter“) in einem branch („Zweig[stelle]“) zu bezeichnen, wäre unsinnig bis unverständlich. Man sollte den boss auch nicht als chef („[Chef]koch, Küchenchef“) oder gar chief („Häuptling“) ansprechen. Ein undertaker könnte zwar ein public viewing organisieren, eine öffentliche Aufbahrung, doch wenn er eine Sportveranstaltung mit Rudelgucken auf die Beine stellen möchte, dann würde er es eher public screening nennen. (Ihre Bodybags lassen Sie dazu am besten zu Hause.)
Irritationen ruft auch das Wort corn hervor, der in Nordamerika übliche Begriff für „Mais“ (die Briten sprechen von maize). Diese Bedeutung hat über corn flakes und popcorn auch in den deutschen Wortschatz Einzug gehalten und ist verbreiteter als die britische Bedeutung „Korn, Getreide“ (die Amerikaner benutzen grain als Sammelbegriff für Getreide). Als Kurzwort für Kornbrand hat das deutsche Wort Korn hingegen auch Einzug ins Englische gehalten.
Falsche Freunde gibt es auch im Tierreich – und ich spreche hier nicht nur von den sprichwörtlichen Wölfen in Schafspelzen. Manchmal hängt die Verwirrung damit zusammen, dass frühe Auswanderer ihnen vertraute Namen für Tiere aus der alten Heimat recht unwissenschaftlich auf völlig andere Arten in der neuen Heimat übertrugen, die ähnlich aussahen, aber aus biologischer Sicht verschieden waren. So ging es wohl dem amerikanischen Wapitihirsch (Cervus canadensis), den europäische Siedler nach dem ihnen vertrauten Elch (Alces alces) schlicht elk nannten. Für den Elch, den es in Amerika aber auch gibt, musste man dann einen abweichenden Begriff finden und lieh sich moose aus einer Indianersprache. Was allerdings die falsche Freundschaft zwischen meerkat („Erdmännchen“, Suricata suricatta) und Meerkatze (einer langschwänzigen Affengattung, Cercopithecus, englisch guenon) zustande brachte, ist schwerer zu ergründen. Im Niederländischen hat meerkat die gleiche Bedeutung wie das deutsche Wort, doch als Lehnwort der Buren wechselte es seine Bedeutung und wanderte auf diesem Umweg vom Afrikaans ins Englische. Ob es jemals mit Meer und Katzen zu tun hatte, ist allerdings fraglich, denn weder Erdmännchen noch Meerkatzen gehören zu den Katzen oder leben am Meer.
Fische gehören zum marine life, der Tier- und Pflanzenwelt im Meer, doch auch das Wort marine sorgt immer wieder für Verwirrung. Als Adjektiv bezeichnet es alles, was sich mit dem Meer (lat. mare) zu tun hat (z.B. marine mammal = „Meeressäuger“), aber nicht auf die Marine. Hier wäre das einzig passende Adjektiv naval, denn die Marine heißt in allen englischsprachigen Ländern, die über eine solche verfügen, Navy. Spricht man marine als Person, dann ist meist nicht der Marinesoldat gemeint, sondern der Marineinfanterist.
Ähnlich verwirrend ist die Bezeichnung catcher. Damit kann der Fänger beim Baseball gemeint sein oder auch Salingers Fänger im Roggen (Catcher in the Rye), aber kein deutscher Catcher, denn der wird als (professional) wrestler bezeichnet.
Es gibt Fälle, in denen der falsche Freund so weit verbreitet ist, dass ihn manche schon für eine korrekte Übersetzung halten. Immer noch verpönt ist es, „das meint“ (von this means) zu sagen, wenn man in Wirklichkeit „das bedeutet“ zum Ausdruck bringen möchte. In weiten Kreisen ruft auch „das macht (keinen) Sinn“ (von that makes [no] sense) für „das ergibt (k)einen Sinn“ noch blankes Entsetzen hervor. Hingegen hat die Bedeutung „steuern“ des Wortes kontrollieren (vom englischen to control) schon beinahe Einzug in die Standardsprache gehalten. Auch der Begriff Mittlerer Osten, der im Deutschen ursprünglich Südasien bezeichnete, nimmt im Deutschen immer mehr die Bedeutung des englischen Middle East an, die dort für „unseren“ Nahen Osten gebraucht wird. Und sogar der Duden sanktioniert neuerdings den Gebrauch des Wortes ultimativ neben seinem ursprünglichen Sinn („nachdrücklich“) auch im Sinne des englischen Wortes ultimate („unübertrefflich“), das nichts anderes ist als ein faux ami, den Werbetexter – wissentlich oder unwissentlich – in seiner (ursprünglich) falschen Bedeutung in die deutsche Sprache hineingeprügelt haben.
Eine ausführliche Version dieses Beitrags gibt es in meinem Buch Dr. Kinnes Sprechstunde, das auch einen Link zu meinem Online-Quiz enthält.
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