Elementar, mein lieber Watson!

Obwohl ich mich immer für Naturwissenschaften interessiert habe, konnte ich – aus welchen Gründen auch immer – nie eine rechte Begeisterung für die Chemie entwickeln, und das schlug sich auch in meinen Schulnoten nieder. Nun gab es die Möglichkeit, den Notenschnitt durch eine freiwillige Hausarbeit aufzubessern, die wie eine Klassenarbeit gewertet wurde, deren Thema man aber frei wählen konnte. Da meine Stärken immer eher im Sprachlichen lagen, stand das Thema für mich schnell fest: die Namen der chemischen Elemente!

Das Thema war überschaubar, denn es war begrenzt auf die damals gut hundert benannten Elemente (inzwischen sind es 118 [Stand 2018]). Ich forschte also (noch ohne Internet) ein wenig in der Literatur und fand dann auch Chemiebücher, die zu jedem Element die Namensherkunft erklärten. Ich musste nur noch Ordnung und Struktur in das Ganze bringen. Eigentlich war es ganz einfach.

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Es gibt natürlich Elemente, die schon im Altertum bekannt waren, auch wenn man sie noch nicht als chemische Elemente kannte. Diese Elemente erkennt man meist daran, dass ihre chemischen Zeichen von der lateinischen Bezeichnung abgeleitet und daher nicht leicht aus dem Deutschen herzuleiten sind, in dem die germanischen Begriffe üblich sind: Eisen (Fe von ferrum), Gold (Au von aurum), Silber (Ag von argentum) usw. Es hilft hier, sich die lateinischen Begriffe einmal zu merken – nicht nur, um die Zeichen zu verstehen, sondern auch um Quizfragen nach dem Vornamen von Goldfinger (Auric) oder der Herkunft von Wörtern wie Plombe (von plumbum = Blei, Pb) oder Stanniol (von stannum = Zinn, Sn) erklären zu können.

Das gute alte Silber ist übrigens Namensgeber dreier Elemente: Silber selbst natürlich, Platin (Pt, von span. plata = Silber) und Quecksilber („lebendiges Silber“, Hg, von griech. hydrargyrum = „flüssiges Silber“). Silber ist auch als einziges Element Namensgeber eines Landes (Argentinien), während umgekehrt mehrere Elemente nach Ländern benannt sind (dazu unten mehr).

Die Namen einiger Elemente haben mit ihrer Entdeckung zu tun und weisen darauf hin, dass sie schwer zu finden waren: Krypton (Kr) war „verborgen“, Lanthan (La) „versteckt“, Dysprosium (Dy) „unzugänglich“. Neon (Ne) hingegen war einfach „neu“, Xenon (Xe) „fremd“ und Technetium (Tc) „künstlich“. Aber auch auf andere Merkmale lassen manche Namen schließen: Argon (Ar) ist demnach „träge“, Astat (At) „unbeständig“ und Phosphor (P) „lichttragend“. Bei Osmium (Os) und Brom (Br) schienen der „Geruch“ oder sogar der „Gestank“ die hervorstechendste Eigenschaft zu sein.

Bei Chrom (Cr) – nach dem griechischen Wort für „Farbe“ – und Iridium (Ir) – nach griechisch iris = „Regenbogen“ – waren wohl die Farben das auffälligste Merkmal. Mehrere Elemente sind auch nach bestimmten Farben benannt. Caesium (Cs) „himmelblau“ (nach den typischen Spektrallinien des Elements), Chlor (Cl) „gelbgrün“ (nach der Farbe des Chlorgases), Indium (In) nach der indigofarbenen Spektrallinie, Jod (I) „violett“, Rubidium (Rb) „rot“, Rhodium (Rh) wegen der roten Farbe vieler seiner chemischen Verbindungen nach dem griechischen rhodon („Rose“) und Thallium (Tl) wegen seiner grünen Flamme nach altgriech. thallós („grüner Trieb“).

Die „strahlenden“ (radioaktiven) Elemente Radium (Ra), Radon (Rn) und Actinium (Ac) – und in der Folge Protactinium (Pa) – sind nach dem lateinischen (radius) bzw. griechischen (aktína) Wort für „Strahl“ benannt.

Sechzehn Elemente verdanken ihren Namen Personen – meist, aber nicht immer, renommierten Wissenschaftlern, die mit der Entdeckung zu tun hatten: Bohrium (Bh) nach Niels Bohr (nicht zu verwechseln mit Bor [B], benannt nach dem Mineral Borax), Copernicium (Cn) nach Nikolaus Kopernikus, Curium (Cm) nach Marie und Pierre Curie (das einzige Element, das nach zwei Personen benannt ist), Einsteinium (Es) nach Albert Einstein, Fermium (Fm) nach Enrico Fermi, Flerovium (Fl) nach Georgi Nikolajewitsch Fljorow, Lawrencium (Lr) nach Ernest Lawrence, Meitnerium (Mt) nach Lise Meitner, Gadolinium nach Johan Gadolin, Mendelevium (Md) nach Dmitri Mendelejew, Nobelium (No) nach Alfred Nobel, Oganesson (Og) nach Juri Oganessian, Roentgenium (Rg) nach Wilhelm Conrad Röntgen, Rutherfordium (Rf) nach Ernest Rutherford, Samarium (Sm) nach Wassili Samarski-Bychowez und Seaborgium (Sg) nach Glenn T. Seaborg

Ein paar Elemente sind auch Gestalten aus der Mythologie und der Sagenwelt benannt: Tantal (Ta) nach Tantalos, Niob (Nb) nach seiner Tochter Niobe, Titan (Ti) nach den Titanen und Promethium (Pm) nach dem Titanen Prometheus. Auch die nordisch-germanische Mythologie ist vertreten: Thorium (Th) wurde nach dem germanischen Gott Thor benannt, Vanadium (V) nach dem Beinamen der germanischen Göttin Freya. Auch ganz (unter)irdische Gestalten sind vertreten: Im Kobalt (Co) lebt der Glaube an Kobolde fort, im Nickel (Ni) der an den bösen Berggeist Nickel.

Weitere mythologische Figuren stecken indirekt in Elementen, die nach Himmelskörpern benannt sind, denn auch der Himmel hat Spuren in der Chemie hinterlassen, zum Beispiel in Form von Helium (He), benannt nach der Sonne (griech. hélios), Tellur (Te) – nach der Erde (lat. tellus) – und Selen (Se) – nach dem Mond (eigentlich der Mondgöttin Selene). Die erst spät entdeckten äußeren Planeten unseres Sonnensystems (einschließlich des inzwischen zum Zwergplaneten zurückgestuften Pluto) haben parallel zur Astronomie auch der Chemie drei Elementnamen geschenkt: Uran (U) nach dem Uranus, Neptunium (Np) nach dem Neptun und Plutonium (Pu) nach dem Pluto. Wie die Himmelskörper im Abstand von der Sonne folgen auch diese drei Elemente im Periodensystem aufeinander. Weiterhin war der Zwergplanet Ceres – benannt nach einer Göttin – Namensgeber des Elements Cer (Ce) und der Asteroid Pallas – benannt nach einem weiteren Titanen –  war Pate für Palladium (Pd).

Und schließlich gibt es noch eine lange Reihe geographischer Bezeichnungen, die über die Elementnamen Einzug in die Chemie hielten. Nach Kontinenten sind nur Americium (Am) und Europium (Eu) benannt, die im Periodensystem untereinander stehen. Skandinavien lieh seinen Namen gleich zwei Elementen: Scandium (Sc) und Thulium (Tm). Als einziges schon in der Antike bekanntes Element besitzt Kupfer (Cu) einen Namen mit geographischem Bezug, weil das Metall damals hauptsächlich auf Zypern gewonnen wurde. Und der Rhein ist als einziger Fluss in einem Elementnamen verewigt, nämlich im Rhenium (Re).

Viele Entdecker haben ihre Heimatländer mit der Namensvergabe geehrt. Als einziges Land war Frankreich Pate für zwei Elemente: Francium (Fr) und Gallium (Ga) – nach dem lateinischen Namen. Ähnlich sind auch Germanium (Ge), Polonium (Po) und Ruthenium (Ru) den lateinischen Bezeichnungen für Deutschland, Polen und Russland entlehnt. Nihonium (Nh) geht auf den japanischen Landesnamen (Nihon) zurück. Indium (In) ist zwar nicht unmittelbar nach Indien benannt, sondern – wie schon erwähnt – nach der Farbe Indigo, die aber wiederum ihren Namen dem Land verdankt.

Die US-Bundesstaaten Kalifornien (als Heimat der UC Berkeley) und Tennessee (als Standort des Oak Ridge National Laboratory) findet man in den Elementen Californium (Cf) und Tenness (Ts) wieder und das deutsche Bundesland Hessen (Standort der Gesellschaft für Schwerionenforschung, GSI) in Hassium (Hs).

Aus ähnlichen Gründen wurden auch die Standorte wichtiger Forschungseinrichtungen Grundlage von Elementnamen: Berkelium (Bk) nach Berkeley (University of California, Berkeley), Darmstadtium (Ds) nach Darmstadt (GSI), Dubnium (Db) nach Dubna bei Moskau (Vereinigtes Institut für Kernforschung, JINR) und Livermorium ­(Lv) nach Livermore (Lawrence Livermore National Laboratory). Auch Hauptstädte einiger Länder standen – in ihrer latinisierten Form – Pate: Paris für Lutetium (Lu), Kopenhagen für Hafnium (Hf), Moskau für Moscovium (Mc) und Stockholm vermutlich für Holmium (Ho), wenngleich hier auch der Chemiker Holmberg möglicherweise eine Rolle spielte. Strontium (Sr) ist nach dem kleinen Ort Strontian in Schottland benannt, und der Grube Ytterby, einem ehemaligen Bergwerk auf einer Insel im Stockholmer Schärengarten, wo viele Seltene Erden („Yttererden“) erstmals gefunden wurden, wird die besondere Ehre zuteil, Namensgeber für gleich vier Elemente zu sein Ytterbium (Yb), Yttrium (Y), Terbium (Tb) und Erbium (Er)!

Eine ausführliche Version dieses Beitrags gibt es in meinem Buch Dr. Kinnes Sprechstunde, das auch einen Link zu meinem Online-Quiz enthält.

Ein Kommentar zu „Elementar, mein lieber Watson!

  1. Das ist ja mal ein interessanter Beitrag! Ich finde es richtig spannend wo die Bezeichnungen ihren Ursprung haben. Danke für Ihre Mühe 👍🏻😃

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