Deutsch ist englisch?

Dass man englischsprachigen Filmen in Deutschland einen deutschen Titel gibt, hat seine Gründe. Englische Titel sind sowohl aus Verständnis- als auch aus Vermarktungsgründen nicht immer geeignet, beibehalten zu werden, und wenn man schon den ganzen Film durch eine Synchronisation versaut, kann man auch gleich den Titel mit in die Pfanne hauen.

Die einfachste Variante ist natürlich, den englischen Titel wörtlich ins Deutsche zu übersetzen. Das kann manchmal übel in die Hose gehen, wie die Reihe Die Hard beweist (der Begriff – wörtlich „hart wie ein Schneideisen“ – bedeutet sinngemäß „nicht totzukriegen“ und keinesfalls „stirb langsam“ … was immer man darunter auch verstehen mag). Man könnte das Englische auch durchs Französische ersetzen – man fragt sich nur, weshalb. So hieß Billy Wilders bekannte Filmkomödie The Apartment in Deutschland Das Appartement – obwohl laut Duden ein Apartment (im Deutschen) eine „kleine Wohnung“ ist (und darum handelt es sich im Film), während ein Appartement eine „Zimmerflucht in einem Hotel“ bezeichnet. Ein englisches Wort durch ein französisches zu ersetzen, kann also durchaus die Bedeutung verändern und dient keinesfalls dem besseren Verständnis.

Aber man kann auch – und das geschieht häufiger, als der Kinonormalzuschauer vielleicht ahnt – einen englischen Titel durch einen anderen englischen Titel ersetzen! Klingt schwachsinnig? Ist es auch! Nachvollziehbar ist es vielleicht noch, das leidige The fortzulassen, bei dessen Aussprache Deutsche ihre Schwierigkeit haben – zum Beispiel bei Kubricks The Shining (deutscher Titel: Shining). Etwas problematischer ist das schon im Falle von Spielbergs The Terminal, denn ohne den Artikel könnte der Film von einer tödlichen Krankheit handeln, denn Terminal kann auch „todgeweiht“ oder „unheilbar“ heißen.

Wenn the so schwer auszusprechen ist, muss man sich allerdings fragen, warum ein Film The Safe heißt und nicht „Der Safe“. Lag es vielleicht daran, dass man hier den Originaltitel beibehalten wollte? Keineswegs – denn der lautet The Vault, was neben „Tresorraum“ auch „Gruft“ bedeutet und somit eine bei einem Horrorfilm durchaus erwünschte Assoziation hervorruft, die dem „deutschen“ Titel fehlt – Safe suggeriert eher das Gegenteil: „sicher“.

Bestimmte englische Titel kann man im Deutschen unmöglich beibehalten, weil sie im Englischen eine andere Bedeutung haben als im Deutschen (man spricht hier in der Linguistik von faux amis). Ein gutes Beispiel ist Tag. Dieses Wort kann im Englischen vieles bedeuten, aber auf keinen Fall „Tag“, also den Zeitraum von 24 Stunden oder den hellen Teil davon. Im konkreten Fall geht es um das Kinderspiel „Fangen“ – also ließe es sich leicht übersetzen (wie es in nahezu jedem Land der Erde, in dem der Film lief, auch gemacht wurde). Die Marketingstrategen des Verleihs entscheiden sich aber in Deutschland für den englischsprachigen Titel Catch Me! – warum auch immer.

Dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit, Originaltitel zu verkürzen: Aus Silver Linings Playbook wird dann Silver Linings (in Frankreich übrigens Happiness Therapy), aus My Own Private Idaho wird My Private Idaho. Beim Film Crazy Rich Asians hat man einfach mal das wichtigste Wort – das Substantiv – fortgelassen und auf Crazy Rich verkürzt. Sind weniger englische Wörter leichter auszusprechen als viele englische Wörter? Mag sein, aber warum wird dann aus Unknown in Deutschland der längere (!) englische Titel Unknown Identity? Und warum wird Crash zu L.A. Crash? Eine Variante ist dann der Austausch eines einzelnen englischen Wortes: Aus Bend It Like Beckham wird so der „deutsche“ Titel Kick It Like Beckham.

Doch kommen wir nun von den leicht absurden englischen „deutschen“ Titeln zu den völlig absurden. Was brachte es dem deutschen Zuschauer, wenn aus dem englischen Taken ein „deutsches“ 96 Hours wurde (nicht etwa „96 Stunden“!)? Offenbar nichts, denn die Fortsetzung Taken 2 trug den Titel 96 Hours: Taken 2 – doppelt hält wohl besser. Und für Taken 3 dachte man sich die wunderschöne Spielerei 96 Hours: Tak3n aus: ja, eine 3 sieht aus wie ein gespiegeltes E! Vielleicht sollte der Titel ja an 48 HRS. erinnern, aber der hieß in Deutschland noch Nur 48 Stunden. (Und am Rande bemerkt: Der deutsche Filmtitel 72 Stunden war eine Art verkomplizierende „Umrechnung“ des englischen Titels The Next Three Days [„Die nächsten drei Tage“] für ein Remake des französischen Pour elle [„Für sie“], der in Deutschland Ohne Schuld hieß!).

Sich mit relativ billigen und schlechten Filmen an große Erfolge anzuhängen, indem man sich an deren Titel anlehnt, hat in Deutschland auch Tradition. So ist wohl zu erklären, dass der Film Hard Eight in Deutschland Last Exit Reno hieß, weil das wie Last Exit Brooklyn klingt. Und so lässt sich auch deuten, dass Heathers in Deutschland als Lethal Attraction lief, was natürlich die kommerziell erfolgreichen und auch qualitativ besseren Filme Lethal Weapon und Fatal Attraction ins Gedächtnis ruft.

Solche Einfälle kann man zumindest vermarktungstechnisch noch nachvollziehen. Bei den folgenden Beispielen zieht aber auch diese Entschuldigung nicht mehr. Bis heute weiß niemand so recht, weshalb der Beatles-Film A Hard Day’s Night in Deutschland (und einigen anderen Ländern) den hirnrissigen Titel Yeah! Yeah! Yeah! trug – der selbst den Machern offenbar so peinlich war, dass man ihn in späteren Jahren unter den Tisch kehrte und für die DVD zum Original zurückkehrte. Der „deutsche“ Titel Run to Me ist ein paar Buchstaben kürzer als das Original Running for Her Life – aber ist er verständlicher, aussagekräftiger, werbewirksamer? Und ist der „deutsche“ Titel They Want Me Dead für den Film Those Who Wish Me Dead tatsächlich massentauglicher? Diese Frage stellt sich noch mehr, wenn man einen griffigen, einprägsamen und kurzen Originaltitel wie Begin Again durch einen langen und umständlichen „deutschen“ Titel wie Can a Song Save Your Life? ersetzt? Natürlich gibt es auch das umgekehrte Beispiel: Aus What Planet Are You From? wurde in Deutschland Good Vibrations. Das ist dämlich, aber kurz. Ein ähnliches Beispiel: You Were Never Really Here wurde nicht nur in Deutschland zu A Beautiful Day. Der italienische Zuschauer hatte die Auswahl: Hier hieß der Film A Beautiful Day – You Were Never Really Here.

Augenscheinlich traut man den deutschen Zuschauern also durchaus Englischkenntnisse zu – aber eben nicht, dass sie den Originaltitel verstehen: How High (Originaltitel) ist zu kompliziert – So High („deutscher Titel“) ist doch viel verständlicher! So wurde – keiner weiß, warum – The Prophecy („Die Prophezeiung“) in Deutschland zu God’s Army, The Order zu Sin Eater, Deuce Bigalow, Male Gigolo zu Rent a Man, The Man zu Cool & Fool, Van Wilder zu Party Animals, Rabbit-Proof Fence zu Long Walk Home, Danny the Dog (das wäre wohl für die meisten Deutschen übersetzbar) zu Unleashed (wie viele Deutsche können das übersetzen?), Eight-Legged Freaks zu Arac Attack (weil natürlich jeder Deutsche weiß, dass arac eine Kurzform von arachnid ist und „Spinnentier“ heißt), Cellular zu Final Call (hier war wohl auch den Werbestrategen beim Verleih das pseudoenglische Handy zu peinlich) … die Liste ließe sich noch endlos fortsetzen. Gipfel der Absurdität: Der Originaltitel Black Eagle mutierte in Deutschland zu Red Eagle, später auch noch zu dem Alternativtitel Red Hunter!

Geradezu hellseherische Fähigkeiten muss jemand besessen haben, der dem Dwayne-Johnson-Film The Rundown von 2003 den „deutschen“ Titel Welcome to the Jungle gab, denn elf Jahre später wirkte der gleiche Dwayne “The Rock” Johnson in dem Film Jumanji: Welcome to the Jungle mit, der dann aber in Deutschland (um Verwechslungen zu vermeiden?) den Titel Jumanji: Willkommen im Dschungel erhielt. Es geht doch!

Irgendwie liebt der deutsche Filmtitelerfinder die Mon­­archie – natürlich nicht den König oder die Königin, sondern den “King” und die “Queen”. Folglich wurde aus 3000 Miles to Grace­land (2001) hierzulande Crime Is King (Sie verstehen? Graceland – Elvis – King?), aus Observe and Report (2009) machte man Shopping-Center King, aus dem Remake The Comeback Trail wurde Kings of Hollywood (2020), aus Second Act (2018) mit Jenni­fer Lopez (siehe auch weiter unten) bastelte man eine Manhattan Queen, und aus Thor: The Dark World (2013) wurde Thor: The Dark Kingdom (die Welt war wohl nicht genug?). Ein Titel wie The Kingdom (2007) allein reicht aber auch nicht aus – der wurde zu Opera­tion: Kingdom. Der animierte Film Spider-Man: Into the Spider-Verse (2018) wurde in Deutschland zu Spider-Man: A New Universe – in Italien und Spanien wurde das wenigstens in die jeweilige Landessprache übersetzt, während man sich in Frankreich für das englische Spider-Man: New Generation entschied.

Sehr interessant ist auch, dass man anscheinend ungern das Wort America im Titel verwendet, auch wenn ein Großteil der Kinokost aus Amerika kommt und jeder Zuschauer einen amerikanischen Film auch leicht als solchen erkennen dürfte. Trotzdem wurde Captain America: The Winter Soldier in Deutschland zu The Return of the First Avenger.

Apropos „Winter“: Der Film The Huntsman: Winter’s War trug in Deutschland den Titel The Huntsman & the Ice Queen. Vielleicht wollte man den „Krieg“ im Titel vermeiden. Man könnte versuchen, in diesem Betitelungschaos ein Muster zu finden: Ist es etwa “Make love, not war”? Es fällt tatsächlich eine gewisse Vorliebe für das Wort love (natürlich nicht das Wort Liebe) auf: So wurde aus What Happens in Vegas mit Cameron Diaz in Deutschland Love Vegas, aus dem Jennifer-Lopez-Disaster Maid in Manhattan gar eine Manhattan Love Story und aus dem Julia-Roberts-Vehikel Something to Talk About ein „deutsches“ The Power of Love.

In Deutschland darf es freilich auch etwas expliziter sein, wenn es darum geht, den Star des Films gleich im Titel zu „verkaufen“, daher taufte man Truth or Dare in In Bed with Madonna um. Fairerweise muss man sagen, dass der Film auch in Großbritannien diesen Titel trug. Andererseits waren die Briten etwas zaghafter (“No sex – we are British”) mit ihrem eigenen Made in Dagenham – hier ließen die deutschen Titelerfinder gar keinen Zweifel, worum es ging: We Want Sex hieß der Film hierzulande (in Frankreich We Want Sex Equality!).

Erkennt man hier also eine deutsche Vorliebe für die Liebe? Leider platzt diese Theorie, wenn man sieht, dass die Erfinder deutsch-englischer Titel eine ebenso große Vorliebe für die Wörter die („sterben“) und kill („töten“) habe, auch wenn diese im Originaltitel gar nicht vorkommen! Aus dem Wortspiel Cradle 2 the Grave („Von der Wiege bis ins Grab“, mit der 2 als Ersatz für die Präposition to, weil es sich um eine Fortsetzung handelt) wurde Born 2 Die („Geboren, um zu sterben“). Auch All Good Things („Aller guten Dinge“) waren nicht genug: All Beauty Must Die („Alle Schönheit muss sterben“) hieß der Film in Deutschland. Obwohl der Film Hitman in Deutschland seinen Titel beibehielt, fand man wohl The Hitman’s Bodyguard nicht verständlich genug und machte daraus kurzerhand Killer’s Bodyguard (ohne Artikel, mit Apostroph). Auch Copycat („Nachahmer“) war wohl nicht ausreichend explizit – da stört es auch nicht, dass das Wort Copykill (der „deutsche“ Titel) frei erfunden und in keinem Wörterbuch zu finden ist (es gibt nur einen copycat killer = „Nachahmungsmörder“). Auch „schreckliche Chefs“ waren den Übersetzern von Horrible Bosses nicht schrecklich genug – hier musste es in Deutschland heißen: Kill the Boss („Tötet den Chef“) – im Singular allerdings.

Ähnlich wie Horrible Bosses ist der Titel Bad Moms (2016) konstruiert, den man hierzulande einfach beibehielt – so weit, so schlecht. Allerdings gefiel das “Bad” hier wohl so gut, dass man es auch auf andere Filme übertrug, in deren Titel es ursprünglich gar nicht auftauchte: Neighbors (2014), der schon in Großbritannien Bad Neighbours hieß, erhielt den „deutschen“ Titel Bad Neighbors (US-Schreibweise!), und aus The Spy Who Dumped Me („Der Spion, der mit mir Schluss machte“) wurde – wohl um mit dem Holzhammer darauf hinzuweisen, dass hier “Bad Mom” Mila Kunis mitwirke – Bad Spies, obwohl die Bond-Anspielung (The Spy Who Loved Me = Der Spion, der mich liebte) auch für das deutsche Publikum nachvollziehbar gewesen wäre (man hatte sie aber auch schon bei Austin Powers: The Spy Who Shagged Me nicht übertragen). Den Franzosen ist bad anscheinend nicht schlecht genug, hier wird es immer gleich very bad: Hangover heißt hier Very Bad Trip und The Other Guys heißt Very Bad Cops.

Dann gibt es auch wieder die Filme, deren Titel man lieber „entschärft“: Aus Don’t Tell Mom the Babysitter’s Dead („Sag Mama nicht, dass der Babysitter tot ist“) wurde hier das Konstrukt Fast Food Family, unter dem sich wirklich niemand etwas vorstellen kann – nicht einmal, nachdem man den Film gesehen hat. Und Jack the Giant Slayer („Jack/Hans, der Riesentöter“) klang wohl für das angepeilte junge Publikum dieser Märchenverfilmung (von Jack and the Beanstalk / Hans und die Bohnenranke) zu gruselig – ein Publikum, bei dem man aber immerhin ausreichende Englischkenntnisse voraussetzte, um dann den umformulierten Titel Jack and the Giants („Jack/Hans und die Riesen“) zu verstehen.

Erinnern Sie sich noch an das eingangs erwähnte Die Hard? Ähnlich kompliziert ist die Übersetzung von Dead Ahead: Der normale Sinn des Begriffs ist einfach „direkt voraus“, aber natürlich soll in dem Filmtitel auch die wörtliche Bedeutung von dead („tot“) mitschwingen – was einfach nicht zu übersetzen ist. Deshalb hat man auch hier wieder zum beliebten Mittel der englischen Verschwurbelung gegriffen und den Film in Deutschland Death Attack genannt – mitsamt dem gefürchteten “th”! Dass der Titel Cold Pursuit (ein Remake des norwegischen Films Kraftidioten, der in Deutschland Einer nach dem anderen hieß) eine Anspielung auf den Begriff hot pursuit („heiße Verfolgung“) ist, muss nicht jedem Deutschen klar sein – aber ist es leichter zu verstehen, dass der „deutsche“ Titel Hard Powder „harter Pulver(schnee)“ bedeutet?

Den Stallone-Film Bullet to the Head („Kugel in den Kopf“) hat man mit Shootout („Schießerei“) deutlich abgestumpft. Aber weshalb wurde A Rage in Harlem in Deutschland zu Harlem Action? Lag es etwas daran, dass man das Wort rage nicht verstehen würde? Dann fragt man sich allerdings, weshalb A Man Apart in Deutschland Extreme Rage hieß. Vielleicht ist ja “a man apart” eine zu komplizierte Konstruktion für den Durchschnittszuschauer? Aber nein – denn Tomorrowland trug in Deutschland den Titel A World Beyond! Ähnlich könnte man fragen: Warum wurde Wild Hogs zu Born to Be Wild, aber Coupe de Ville (ein Cadillac-Modell) zu Wild Boys und Reindeer Games (eine Anspielung auf “Rudolph the Red-Nosed Reindeer”) zu Wild Christmas?

Dass Hollywood Homicide hierzulande Hollywood Cops hieß, ist da schon beinahe banal. Aber was sagt uns die Vorliebe für Girl und Lady in deutschen Titeln? Der Film Bring It On hieß Girls United, das unsägliche Britney-Spears-Vehikel Crossroads gar Not a Girl. Und aus The Coal Miner’s Daughter wurde Nashville Lady, aus Lay the Favorite gar Lady Vegas (nicht zu verwechseln mit The Layover – der hieß in Deutschland Mister before Sister). Ein Fernsehfilm von 2017, der in den USA den Titel Girls’ Night Out trug, hieß in Deutschland Terror Night. Dafür benannte man den US-Film Rough Night aus dem gleichen Jahr hierzulande in Girls’ Night Out um – in Österreich in Girl’s Night Out (Einzahl, obwohl es um mehrere “Girls” ging) und in Dänemark in Girls Night Out (ganz ohne Apostroph und völlig falsch). In Portugal hieß er nur Girls Night – und in Italien Crazy Night.

Dass Miss Congeniality in Deutschland zu Miss Undercover wurde, würgte zwar den Witz des Originaltitels eiskalt ab, lag aber wohl daran, weil man den deutschen Zuschauern nicht zutraute, congeniality richtig auszusprechen. Aber musste man Hot Pursuit deshalb zu Miss Bodyguard umdichten? Oder den englischen Titel Corporate eines französischen Films zu Miss Mobbing (wobei mobbing ein schwedisches und kein englisches Wort ist)? Und wenn die Miss dann im englischen Titel vorkommt, ist es auch wieder nicht recht: Miss Cast Away and the Island Girls trug in Deutschland den (absichtlich?) dümmlichen Titel Silly Movie 2.0. Hier erkennt man eine weitere Vorliebe der deutschen Titeldichter: einen Film einfach Film zu nennen – aber natürlich auf gut Amerikanisch movie! Das erklärt natürlich nicht, weshalb dann aus dem Epic Movie ein deutscher Fantastic Movie wurde. Und weshalb hieß A Haunted House („Ein Spukhaus“) Ghost Movie? Und warum wurde aus An American Carol (eine Anspielung auf Dickens’ A Christmas Carol) in Deutschland ein Big Fat Important Movie?

In Frankreich kann solcher Unsinn natürlich nicht passieren, weil man hier die Sprache sehr streng reguliert und darauf achtet, dass sich nicht zuviel Englisches in die Werbung einschleicht. Oder? Sie erinnern sich noch an All Good Things, der in Deutschland All Beauty Must Die hieß? Nun, in Frankreich lief er unter dem Titel Love and Secrets! Da sieht man doch gleich, wo die Prioritäten liegen.

Da stellt sich natürlich die Frage: Was machen wir denn hier in Deutschland eigentlich mit französischen Titeln? Bekommen die etwa auch „deutsche“ französische Titel? Aber nein – denen verpasst man (wenn es keine völlig veralberten Louis-de-Funès-Titel vom Typ „Balduin, der …“ sind) lieber einen „deutschen“ englischen Titel!

Wir erinnern uns, dass man das Wort Hitman im englischen Titel The Hitman’s Bodyguard durch das „deutsche“ Wort Killer ersetzte, weil deutsche Zuschauer wohl nicht wissen, was ein hitman ist. Das trifft aber offenbar nicht zu, wenn ein Film aus Frankreich stammt, denn La Résistance de l’air hieß in Deutschland French Hitman. Na also – es geht doch! Überhaupt tut man sich schwer mit Filmen über den französischen Widerstand. Obwohl es hier um ein sehr spezifisch französisches Thema geht, gibt man Filmen lieber englische Titel – so heißt auch Les Femmes de l’Ombre in Deutschland Female Agents, auch wenn die Bezeichnung agents ebenso irreführend ist wie hitman, wenn es um Widerstandskämpfer im besetzten Frankreich geht.

Äußerst cool empfand man sicherlich die Interpretation des Titels Banlieu 13 („Bannmeile 13“ – mit der banlieue sind in Frankreich vor allem Vorstädte als soziale Brennpunkte gemeint) in Form des phantasievollen Kunstworts Ghettogangz. Der Film Les Temps qui changent („Die Zeiten, die sich ändern“) hingegen ist nicht etwa die Biographie eines französischen Möchtegern-Rappers, sondern ein Werk des renommierten Regisseurs André Téchiné mit Catherine Deneuve und Gérard Depardieu in den Hauptrollen. In Deutschland trägt er den Titel Changing Times – eine treffende Übersetzung, nur leider in die „falsche“ Sprache. Aus einem einfachen Titel wie Lukas wird in Deutschland The Bouncer.

Man könnte ja nun meinen, englische Titel durch andere englische Titel zu ersetzen, sei ein spezifisch deutsches Phänomen, aber wir haben oben ja auch schon ein paar hübsche Beispiele für englische „Übersetzungen“ englischsprachiger Titel in Frankreich erwähnt. Eine Spezialität der Franzosen – und wir wollen hier überhaupt keine Vorurteile schüren! – scheint es zu sein, grundsätzlich das Wort Sex (oder Sexy) an jeder passenden oder unpassenden Stelle in einen Filmtitel einfließen zu lassen – “sex sells” eben. Hier ein paar schöne Beispiele für diese „Sexbessessenheit“, die ich einer Zusammenstellung von Annie André entnommen habe. Sexe Intentions für Cruel Intentions ist noch halb französisch und halb englisch, aber das passt gut zur amerikanischen Verfilmung eines französischen Romans (Les Liaisons dangereuses). Etwas Kauderwelsch ist auch Sex Conspiration für Judicial Indiscretion. Andere Beispiele (in Klammern die Originaltitel): Sexy Dance (Step Up 2: The Streets), Sexy Devil (Shortcut to Happiness), Sex Addict (Bad Biology), Sex Crimes (Wild Things), Sex Friends (No Strings Attached), Sex List (Whatʼs Your Number?), Sex Manipulations (The In Crowd), Sex Revelations (If These Walls Could Talk 2), Sex Trip (EuroTrip), Sea, Sex and Fun (Fired Up), Gangsters, Sex & Karaoke (Love, Honor & Obey) und schließlich Sex Academy für Not Another Teen Movie. Den Vogel abgeschossen haben allerdings die Tschechen, wo der letztgenannte Film (ebenfalls englisch, aber transkribiert) schlicht Bulšit heißt – sozusagen Filmtitel und Filmkritik in einem!

Eine ausführliche Version dieses Beitrags gibt es in meinem Buch Dr. Kinnes Sprechstunde, das auch einen Link zu meinem Online-Quiz enthält.

Ein Kommentar zu „Deutsch ist englisch?

  1. Sehr guter Artikel.

    Mich regen die deutschen Filmtitel auch oft auf. Ich kann nachvollziehen, wenn die Verleiher einen deutschen Titel bevorzugen, wenn sie davon ausgehen, dass viele deutsche Zuschauer diesen nicht aussprechen können. Dann hat man aber wieder einen Film wie „Maleficent“ der im Deutschen den Titel „Maleficent – Die dunkle Fee“ bekam. Ich hätte Mäuschen gespielt hätte, wie viele Deutsche „Malificent“ wohl an der Kinokasse ausgesprochen haben. Hier wäre es sinnvoller gewesen ihn einfach nur „Die dunkle Fee“ zu nennen. Bei „Crash“ weiß ich, dass der umbenannt werden musste, weil es bereits einen anderen Film (von David Cronenberg) mit dem selben Titel gab.

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