Wir lernen alle schon früh, griechisch zu zählen, denn griechische Zahlen gehören zu den Grundlagen des metrischen Systems – ebenso wie lateinische. Für die Bruchteile von Einheiten verwenden wir lateinische Zahlen: Dezi- (von lat. decimus = „Zehnter“) für ein Zehntel, Zenti- (von lat. centum = „hundert“) für ein Hundertstel und Milli- (von lat. mille = „tausend“) für ein Tausendstel. Für das Vielfache einer Einheit verwenden wir griechische Zahlen: Deka- (von griech. δέκα = „zehn“) für das Zehnfache, Hekto- (von griech. ἑκατόν = „hundert“) für das Hundertfache und Kilo- (von griech. χίλιοι = „tausend“) für das Tausendfache. Als Symbole (nicht Abkürzungen) werden Kleinbuchstaben verwendet: d, c und m bzw. da (zur Unterscheidung von d, früher auch dk), h und k. Diese Symbole sind unveränderlich, zumal m (= Milli- für ein Tausendstel) eine völlig andere Bedeutung hat als M (= Mega- für das Millionenfache).
In einigen Fällen hat sich die Vorsilbe auch zu einem eigenen Wort verselbständigt. Während man das Dekagramm als Einheit für zehn Gramm in Deutschland kaum verwendet, ist es Österreichern so geläufig, dass man durchaus „fünf Deka Backpulver“ (= 50 g) – ohne -gramm – bestellen kann und verstanden wird, ebenso wie man im ganzen deutschen Sprachraum umgangssprachlich „zehn Kilo“ einer Ware ordern kann und jeder versteht, dass „Kilogramm“ – und nicht etwa „Kilometer“ – gemeint sind. In Italien verwendet man das hierzulande unübliche Hektogramm (ital. ettogrammo) für 100 Gramm und kürzt es umgangssprachlich etto ab.
Auch wenn in den USA seit dem Ende 1975 verabschiedeten Metric Conversion Act offiziell (aber nicht verbindlich) das metrische System eingeführt wurde, hat es sich in der dortigen Bevölkerung allgemein nicht durchgesetzt. Der einzige Bereich, indem das Kilogramm in den USA konsequent Anwendung findet, ist der Rauschgiftschmuggel – was damit zusammenhängen könnte, dass ungesetzliche Betäubungsmittel meist aus Staaten stammen, die metrisch rechnen. Aus dem kilo hat sich die noch kürzere Form ki (ausgesprochen kee, wie das englische key [ki:]) entwickelt, etwa in “two kees of cocaine”. Anders als im Deutschen verwendet man das k (ausgesprochen wie kay [keɪ], also wie der Buchstabe im englischen Alphabet) alleinstehend im Englischen auch als Kurzform für kilometer, zum Beispiel in “10k run” („Zehn-Kilometer-Lauf“) oder in der Kurzform “kph” für “kilometers per hour” (= km/h = „Kilometer pro Stunde“). Daneben wird das Symbol k auch verwendet, um ganz allgemein Tausender auszudrücken und sich die Schreibung von drei Nullen zu sparen, etwa beim bekannten Computerproblem mit der Umstellung von 1999 auf “Y2k” (für “Year 2000”, also „Jahr 2000“).
Beim Zählen bedienen wir uns in Verbindung mit griechischen Endungen häufig der griechischen Zahlennamen – klingt logisch. Ob es um ein zweidimensionales Gebilde mit mehreren Ecken (-gon, von griech. γωνον) oder einen dreidimensionalen Körper mit mehreren Flächen (-eder, von griech. ἕδρα) geht: Ein Fünfeck – wie das Gebäude, in dem das US-Verteidigungsministerium untergebracht ist – nennt man Pentagon, ein Vierflach ist ein Tetraeder und so weiter. Die griechischen Zahlenvorsilben (Präfixe) lauten: deu‑ oder di‑ (2), tri- (3), tetra- (4), pent(a)- (5), hexa- (6), hepta- (7), okta- (8), enne- (9), deka- (10), dann geht es weiter mit hendeka-, dodeka-, triskaideka‑, tretradeka‑ und so weiter. Wir kennen diese Vorsilben aus mehr oder weniger alltäglichen Zusammensetzungen wie Dialog („Zwiegespräch“), Hexameter („Sechsmaß“), Oktopus („Achtfüßer“), Dodekaeder („Zwölfflach“) und Triskaidekaphobie („Dreizehnangst“). Auch im französischen hebdo, der Kurzform von hebdomadaire („wöchentlich“) für eine Wochenzeitschrift (wie Charlie Hebdo) steckt die griechische Sieben (für „sieben Tage“).
Verbinden wir die griechischen Zahlenpräfixe mit ‑logie (von λόγος = „Wort“), dann erhalten wir die Bezeichnung für eine Reihe, die aus einer der Zahl entsprechenden Anzahl von Teilen bestehen. Bei zwei Teilen wird man kaum von einer Reihe sprechen („Zweiteiler“ tut es auch), aber Trilogien sind schon recht häufig, und abgesehen von einem gelegentlichen (falschen) „Triologie“ tun sich die meisten Menschen mit dieser Bezeichnung auch nicht schwer. Vier Teile ergeben folglich eine Tetralogie, fünf eine Pentalogie und so weiter. Douglas Adams, der stets zu Scherzen aufgelegt war, bezeichnete seinen Hitchhiker’s Guide to the Galaxy (deutsch Per Anhalter durch die Galaxis) auch noch als “trilogy”, als er seinen fünften Band geschrieben hatte, doch der Begriff Pentalogie ist hier ebenso angebracht wie bei James Fenimore Coopers Lederstrumpf-Geschichten und John Updikes Rabbit-Romanen. Aus der Roman-Heptalogie um Harry Potter wurde eine Film-Oktalogie (oder Oktologie), weil man den letzten Roman über zwei Filme verteilte. Die drei Trilogien der Star-Wars-Reihe (Krieg der Sterne) könnte man zusammenfassend als Ennealogie bezeichnen. Die zehn Filme der Dekalog-Reihe von Krzysztof Kieślowski bilden eine Dekalogie.
Es war, glaube ich mich zu erinnern, eine Sammelbox mit den ursprünglichen (vier) Alien-Filmen, bei der mir ich mir zum ersten Mal die Augen rieb, weil ich das Wort “Quadrology” las. Nun schrieb ich das zunächst der altsprachlichen Unkenntnis der amerikanischen Marketing-Verantwortlichen zu, recherchierte aber gleich auch die deutsche Ausgabe und fand da – zu meinem Entsetzen – das Pendant „Quadrologie“. Hatte da jemand etwa an die „Quadrophonie“ gedacht? Wie sollte eine solche Reihe fortgesetzt werden? Mit „Quintologie“ und „Sextologie“? Mit einem solchen Aufdruck könnten Filme auch leicht in der falschen Sparte landen … Fest steht: Bezeichnungen für Mehrteiler werden aus den griechischen und nicht aus den lateinischen Zahlwörtern gebildet – ist doch log-isch!
Eine ausführliche Version dieses Beitrags gibt es in meinem Buch Dr. Kinnes Sprechstunde, das auch einen Link zu meinem Online-Quiz enthält.
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