Mit Hula-Hoop-Reifen auf die Färöer-Inseln

Haben Sie auch schon mal Ihre PIN-Nummer vergessen? Oder nur Ihre PIN? Das Kreuz mit den Abkürzungen ist, dass viele Benutzer vergessen, wofür sie eigentlich stehen. Und die Tatsache, dass sie oft einen englischen Begriff abkürzen, macht die Sache auch nicht leichter. Nun kann man im genannten Fall frei entscheiden, ob PIN für Personal Identification Number oder Persönliche Identifikations-Nummer stehen soll – in beiden Fällen steckt die Nummer schon in der Abkürzung und muss nicht eigens noch einmal angehängt werden.

Ähnliches gilt für das PDF (Portable Document Format = „tragbares Dokumentenformat“), die LCD (Liquid Crystal Display = „Flüssigkristallanzeige“), das HIV (Human Immunodeficiency Virus = „menschliches Immunschwächevirus“) oder die ABM (Arbeits-Beschaffungs-Maßnahme): „PDF-Format“, „LCD-Display“, „HIV-Virus“ oder „ABM-Maßnahme“ wären redundant. Aus diesem Grund bezeichnet man die Tendenz zu solchen Wortschöpfungen auch als RAS-Syndrom, wobei RAS für Redundant Acronym Syndrome steht und RAS-Syndrom selbst natürlich ein Beispiel dafür.

Solche Redundanzen tauchen aber nicht nur auf, wenn sich das überflüssigerweise angehängte Wort in einer Abkürzung versteckt, sondern auch dann, wenn es sich in einer anderen Sprache verbirgt. Immer wieder hört man daher von „Hula-Hoop-Reifen“, obwohl ein hoop bereits ein Reifen ist. Auch eine „La-ola-Welle“ ist redundant, denn la ola bedeutet nichts anderes als „die Welle“. Wer in Microsofts Textverarbeitung Word die Sprache ändern möchte, findet auch hier eine unsinnige Redundanz, nämlich die Auswahlmöglichkeit „Färöisch (Färöer-Inseln)“ – die zugegebenermaßen wohl recht selten von deutschen Benutzern gewählt wird. Redundant ist nicht etwa, dass Färöisch nur auf diesen Inseln gesprochen wird, sondern die Färöer selbst sind es (dänisch Færøerne, färöisch Føroyar), denn öer, øerne und oyar bedeutet bereits „(die) Inseln“: die Färöer sind die „Schaftsinseln“.

Als ich nach Hessen zog, war ich sehr überrascht, dass ich hier immer wieder von Einheimischen, die „Zeh“ meinten, den Begriff Fußzeh(e) hörte. Mir als Rheinländer war dieser Pleonasmus bisher nicht vertraut gewesen, und ich fragte mich verwundert, ob man in Hessen etwa auch Zehen an anderen Stellen des Körpers hatte. Konnte es sein, dass man Finger hier „Handzehen“ nannte? Ich gewöhnte mich allmählich an diese Ausdrucksweise (auch wenn ich sie mir nie aneignete) und tat sie als volkstümlich ab, doch dann begegnete mir in einem durchaus gelehrten Text (der außerhalb Hessens entstanden war) der Ausdruck Fußpedal. Weil ich mir sicher war, dass Pedal vom lateinischen pes („Fuß“) abgeleitet war, war ich mir in diesem Fall hundertprozentig sicher, dass Pedale ausschließlich von diesem Körperteil bedient wurden und Fußpedal ohne jeden Zweifel redundant war. Und noch häufiger lese ich das Wort Endverbraucher. Der Verbrauch steht immer am Ende einer Kette – ein Händler ist kein „Zwischenverbraucher“, denn er verbraucht ja die Ware nicht, um die es geht, und wenn sie den Verbraucher erreicht, ist sie zwangsläufig am Ende der Kette angekommen.

Gleich aus zwei Gründen ist das Wort Guerillakrieg (das sogar im Duden steht!) ein Unwort. Das spanische Wort guerra bedeutet bereits „Krieg“, guerrilla ist eine Verkleinerungsform und bedeutet somit „Kleinkrieg“. Im Deutschen wurde aber nicht nur aus unerfindlichen Gründen ein r gekürzt, sondern auch die Bedeutung verschoben. Der Duden definiert nun paradoxerweise die Guerilla als Kurzform für „Guerillakrieg“ und der Guerilla als „Angehörige[n] einer Einheit, die einen Guerillakrieg führt“, wobei der Guerillakrieg dann als „von Guerilleros geführter Krieg“ definiert ist und Guerillero als „Untergrundkämpfer in Lateinamerika“. Wenn wir also die Definitionen (wie es ein Mathematiker tut) an den entsprechenden Stellen einsetzen, ergibt sich als Definition für der Guerilla „Angehöriger einer Einheit, die einen von Untergrundkämpfern in Lateinamerika geführten Krieg führt“. Demnach entspricht doch der Guerilla dem Guerillero, der wiederum dem spanischen guerrillero entspricht, oder? Und noch eine Absurdität: Obwohl Guerilla und Guerillero (mit einfachem r) also deutsche Wörter sind, wird das Doppel-l wie der spanische Buchstabe ll ausgesprochen. (Im Englischen hingegen, wo guerrilla das doppelte r beibehält, spricht man das doppelte l englisch aus, so dass das Wort praktisch genau wie gorilla klingt!)

Polemisierend wird auch gerne das Phantasiewort Super-GAU verwendet, das selbst der Duden unsinnigerweise „abgesegnet“ hat und sogar definiert – als „allergrößter GAU“ mit Verweis auf die Abkürzung GAU, der wiederum (korrekt) zu „größter anzunehmender Unfall“ aufgelöst wird. Auch hier schein niemandem in der Duden-Redaktion die Widersinnigkeit von „allergrößter größter anzunehmender Unfall“ aufgefallen zu sein: Ein Superlativ lässt sich nicht mehr steigern!

Eine ausführliche Version dieses Beitrags gibt es in meinem Buch Dr. Kinnes Sprechstunde, das auch einen Link zu meinem Online-Quiz enthält.

Foto: Ravi Shahi

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